16.04.2020

Organoide im Corona-Einsatz

Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des IMBA verwendete erstmals Organoide, um zu zeigen, wie SARS-Cov-2 Blutgefäße und Nieren befällt, und wie sich der Virenbefall durch den Wirkstoff hrACE2 ausbremsen lässt.

Im Zuge der aktuellen globale Krise durch das Corona Virus arbeiten Forscherteams weltweit an Strategien zur Eindämmung dieser Pandemie. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Um die Gesundheitssysteme der Welt vor dem Kollaps zu bewahren, braucht es rasch Medikamente, die vor allem bei schweren Verläufen zum Einsatz kommen können. Josef Penninger, Forscher und Gründungsdirektor des IMBA (Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) verfolgt mit einem internationalen Team einen besonders vielversprechenden Ansatz rund um das Enzym ACE2 (Angiotensin Converting Enzym 2). Ein Therapieansatz wurde nun an COVID-19 „erkrankten“ Organoiden im Labor erprobt. Aktuelle Ergebnisse dieser Studie erhärten die Wirksamkeit von humanem rekombinanten ACE2 (hrACE2), wie sich an aktuellen Studien an Zellkulturen und menschlichen Organoiden nachweisen ließ.

Organoide zur Erforschung von COVID-19

Organoide sind winzige, organähnliche Strukturen, die man aus menschlichen Stammzellen kultivieren kann, um Krankheiten zu modellieren und Medikamente im menschlichen Zellverband zu testen. Auch Infektionskrankheiten lassen sich daran studieren. Am IMBA, einem der führenden Zentren dieser Technologie in Europa, wurde etwa an Gehirn-Organoiden erforscht, wie bestimmte Viren Fehlbildungen im Gehirn auslösen.

In der aktuellen Studie verwendeten die Wissenschaftler Blutgefäß-Organoide, die bereits 2018 von Penningers Team am IMBA entwickelt wurden, sowie Nieren-Organoide. Es zeigte sich, dass das Virus die Organoide direkt infizieren und sich in diesen Geweben vervielfältigen kann. Dies liefert wichtige Informationen über die Entwicklung der Krankheit und die Tatsache, dass schwere Fälle von COVID-19 mit Multiorganversagen und Anzeichen von Herz-Kreislauf-Schäden einhergehen. Die Gabe des Wirkstoffes hrACE2 reduzierte die SARS-CoV-2-Infektion in diesen künstlich hergestellten menschlichen Geweben. In Zellkulturen konnte die Viruslast durch hrACE2 um den Faktor 1.000-5.000 gemindert werden.

Wissen als Startvorteil

Bereits 2005 publizierte Josef Penninger mit seinem Team am IMBA fundamentale Erkenntnisse über ein verwandtes Coronavirus, das 2003 für einen globalen Ausbruch der Lungenkrankheit SARS sorgte. Auf der Forschung von damals konnte im Angesicht der neuen Pandemie rasch aufgebaut werden, denn es zeigte sich, dass der neue SARS-CoV-2 Virus denselben Mechanismus verwendet, um in die Zelle einzudringen. Wie bei dem SARS Virus ist auch bei SARS-Cov-2 das Protein ACE2 die Eintrittspforte für Viren, um Zellen in der Lunge zu infizieren. Gleichzeitig hat ACE2 eine zweite, wichtige Funktion als Blutdruckregulator. SARS-CoV-2 ist mit dem damaligen SARS Virus eng verwandt und es zeigte sich, dass dessen typische „Spikes“, Strukturen aus Proteinen an der Oberfläche des Virus, sogar noch zielgerichteter an die ACE2 Rezeptoren der Zell-Oberfläche andocken. Diese Andockstellen befinden sich nicht nur in der Lunge, sondern auch am Herzen, in den Blutgefäßen, im Darm und den Nieren, was schwere Krankheitsverläufe von COVID-19 durch Organversagen und Sepsis erklären kann. Während klinische Studien nun anlaufen, bieten Organoide den Forschern ein alternatives menschliches Modelsystem, um mögliche Therapien gegen COVID-19 vorab im Labor zu testen. Den Wissenschaftlern zufolge könnte hrACE2 auf zweifache Weise wirken. Zum einen kann es die Viren binden und wie eine Art Schwamm aufsaugen, sodass sie keine Zellen mehr infizieren können. Zum anderen bietet es bei einer Infektion aktiv Schutz gegen Lungenversagen.

Kontakt

Sylvia Weinzettl

Senior Relationship Manager

Daniel Azar

Communications Officer